Bildungsdebatten: Wie zeitgemäß muss Bildung sein?

Wenn die Technikjournalisten Recht behalten, wird die so genannte Industrie 4.0 unsere Arbeitsverhältnisse umkrempeln. Immer mehr Tätigkeiten können von Robotern ausgeführt werden, in immer mehr Arbeitsbereichen werden digitale Prozesse genutzt, um beispielsweise Abläufe zu kontrollieren oder auf Wissen zuzugreifen. Das entfacht die Bildungsdebatte neu: Wie sieht eine zeitgemäße Bildung aus? Oder anders gefragt: Wie zeitgemäß muss Bildung eigentlich sein?

Ludger Humbert von der Bergischen Universität Wuppertal hat für d64 einen Gastbeitrag geschrieben, in dem er für ein Umdenken in der Bildung plädiert. Die Informatik bestimme in zunehmendem Maße sämtliche Produktionsprozesse. Humbert bringt das mit einem Beispiel auf den Punkt: Bald entscheide nicht mehr Chemie, Elektronik und Stahl, auch nicht mehr die Automarke über die Qualität, sondern die digitalen Prozesse werden ausschlaggebend, und damit die Frage, über welches Betriebssystem ein Auto verfügt. Die „informatische Aufklärung“ gehöre deshalb ins Zentrum der Bildungsbemühungen. Jede Schülerin und jeder Schüler müsste in Informatik gebildet werden, um selbst überhaupt in der Lage zu sein, verantwortlich mit den technischen Möglichkeiten umzugehen und auch gezielt die Technik im Beruf und im Privatleben einzusetzen.

Für Carta haben Antje Draheim und Andreas Crimmann, die beide für das Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern tätig sind, über die „Bildung 4.0“ nachgedacht. Die bestehe vor allem in einem ständigen Weiterbilden. Damit seien weniger die Zertifikate gemeint, denn die verlören möglicherweise an Wert, wenn die Innovationszyklen – wie derzeit – immer kürzer würden. Der tatsächliche Stand der Fortbildung lasse sich oft viel leichter in den sozialen Netzwerken ablesen. Vor allem seien ein gründliches technisches Wissen und Kompetenzen im Umgang mit den Medien die unbedingte Voraussetzung, um im einsetzenden Beschäftigungswettkampf zu bestehen.

Über eine Lernplattform berichtet Anja C. Wagner für die Netzpiloten. Sie schreibt über die Software-Umgebung „Slack“, die den aktuellen Anforderungen geradezu perfekt entspräche. „Slack“ verbinde kleine Gruppen miteinander, die an ähnlichen Problemen arbeiten, wie zum Beispiel Wissenschaftler, die ein gemeinsames Projekt vorantreiben. Softwareentwickler im Silicon Valley beispielsweise würden diese Umgebung nutzen, um möglichst effektiv eine gemeinsame Arbeit organisieren zu können. Es ist zugleich eine Lernplattform, denn „Slack“ sei ideal, um sich schnell Hilfe von jemandem einzuholen, der das Teilproblem, das man gerade lösen muss, bereits kennt. Lernen, so Wagners Erkenntnis, gelinge in jedem Fall am besten, wenn man direkt am Problem gemeinsam arbeitet und sich darüber austauschen kann.

Die Idee, Wissen durch eine gemeinsame Arbeit zu vermitteln, ist selbstverständlich nicht neu. Auf dem Blog Friedrich-Schiller-Projekt wird in diesem Sinn die Plattform „Weimarpedia“ vorgestellt. Schulklassen, die Weimar besuchen, haben dort die Möglichkeit in kleinen Gruppen einzelne Projekte zu bearbeiten, die in Beziehung zur Literatur, Kultur oder Kunst in Weimar stehen. So entstehen beispielsweise fiktive Interviews mit Friedrich Schillers Frau Charlotte. Die Ergebnisse werden dann auf „Weimarpedia“ online gestellt. Das ist Vermittlung der „Hochkultur“ im Rahmen der modernen Medien. Damit sollen Berührungspunkte für die Schülerinnen und Schüler geschaffen werden und eine Distanz überbrückt werden.

Eine solche „Eventisierung der Kultur“ zieht selbstverständlich auch Kritik auf sich. Wird hier das kulturelle Erbe verramscht? Sind solche Methoden nur der substanzlose Versuch bei einem Hype dabei zu sein? Helfen die digitalen Möglichkeiten den Lernenden tatsächlich weiter?

Gerade die Kunstvermittlung steht hier immer wieder in der Kritik. Peter Winkels schreibt auf seinem Blog, die Kunstvermittlung sollte möglicherweise wieder stärker die Freiheit der Kunst betonen, und weniger die Frage, welche Zugänge für wen angemessen seien. Die „Verwertung der Kunst“ sei eher das Problem, denn die Lösung.

Damit rückt die Frage der Lernumgebung wieder in den Hintergrund. Inwieweit sich Arbeiten und Lernen in der Zukunft verändern werden, bleibt abzuwarten. Die Frage ist aber schon jetzt, inwiefern wir diese Veränderungen gestalten können – oder übergestülpt bekommen. Dafür ist Wissen über die Veränderungen und um die technischen Möglichkeiten jedenfalls hilfreich.

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